
Entgegen der Annahme, Akupunktur sei reiner Glaube, lässt sich ihre Wirkung heute neurophysiologisch erklären und ist bei bestimmten Leiden eine von deutschen Krankenkassen anerkannte Therapie.
- Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übernimmt die Kosten nur bei chronischen Lendenwirbel- oder Kniegelenkschmerzen.
- Die Wissenschaft bestätigt eine Wirksamkeit bei Schmerzen, sieht aber für die Raucherentwöhnung keine eindeutige Evidenz.
Empfehlung: Sprechen Sie mit einem qualifizierten Arzt mit Akupunktur-Zusatzausbildung, um zu klären, ob die Behandlung für Ihre spezifischen Beschwerden sinnvoll und erstattungsfähig ist.
Chronische Schmerzen, anhaltender Stress, das Gefühl, dass die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt – viele Menschen in Deutschland kennen diese Situation. Auf der Suche nach alternativen Wegen stoßen sie unweigerlich auf die Akupunktur, eine zentrale Säule der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Oft wird sie als eine esoterische Praxis abgetan, die auf dem schwer fassbaren Konzept der Lebensenergie „Qi“ beruht. Man hört von Meridianen, Yin und Yang, und es fällt schwer, eine Brücke zur eigenen, westlich-wissenschaftlich geprägten Welt zu schlagen.
Doch was, wenn die wahre Stärke der Akupunktur nicht im Widerspruch zur modernen Medizin liegt, sondern in ihrer Ergänzung? Was, wenn die alten Lehren über Energieflüsse eine präzise Sprache für Vorgänge sind, die wir heute als neurophysiologische Prozesse verstehen können? Als in Deutschland praktizierender Arzt mit Zusatzausbildung in Akupunktur sehe ich es als meine Aufgabe, diese Brücke zu bauen. Mein Ziel ist es nicht, Sie von alten Philosophien zu überzeugen, sondern Ihnen aufzuzeigen, wie diese alte Heilkunst im modernen deutschen Gesundheitssystem einen festen, wissenschaftlich fundierten Platz gefunden hat.
Dieser Leitfaden erklärt nicht nur die Denkweise der TCM, sondern übersetzt sie in die Sprache der westlichen Medizin. Wir werden uns konkrete Anwendungsfälle wie die Raucherentwöhnung ansehen, den Ablauf einer ersten Sitzung klären, die entscheidende Frage der Kostenübernahme durch die Krankenkassen beleuchten und die wissenschaftliche Datenlage kritisch bewerten. So erhalten Sie ein klares Bild davon, was Akupunktur wirklich leisten kann – jenseits von Mythen und mit dem klaren Fokus auf Ihre Gesundheit.
Inhaltsverzeichnis: Akupunktur in der deutschen Arztpraxis – Ein umfassender Überblick
- Akupunktur zur Raucherentwöhnung: Wie die Nadeln das Verlangen lindern können
- Die erste Akupunktur-Sitzung: Was Sie erwartet und wie Sie sich vorbereiten
- Tut Akupunktur weh? Mythen und Fakten über die Nadelstiche
- Kosten und Erstattung: Wann zahlt die deutsche Krankenkasse für Akupunktur?
- Körper, Ohr oder Fingerdruck: Welche Form der Akupunktur ist die richtige für Sie?
- Die Grundlagen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM): Yin, Yang und Qi
- Akupunktur & Hypnose gegen Rauchen: Was die Wissenschaft über die Wirksamkeit sagt
- Das verborgene Gleichgewicht: Eine Einführung in die Denkweise der Traditionellen Chinesischen Medizin
Akupunktur zur Raucherentwöhnung: Wie die Nadeln das Verlangen lindern können
Der Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören, ist oft stark, doch die körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen stellen eine immense Hürde dar. Hier setzt die Akupunktur an, insbesondere in Form der Ohrakupunktur. Der Ansatz zielt nicht darauf ab, die Nikotinsucht über Nacht zu heilen, sondern den Körper in der kritischen Entzugsphase zu unterstützen und das heftige Verlangen (Craving) zu dämpfen. Die Stimulation bestimmter Punkte soll das vegetative Nervensystem regulieren, das bei Stress und Sucht eine zentrale Rolle spielt.
Eine der bekanntesten standardisierten Methoden ist das NADA-Protokoll. Es wurde ursprünglich zur Behandlung von Drogenabhängigkeit entwickelt und hat sich auch in der Raucherentwöhnung als unterstützende Maßnahme etabliert. Hier werden gezielt fünf Punkte am Ohr stimuliert, die mit innerer Unruhe, Entgiftungsorganen und der Lunge in Verbindung stehen.
Fallbeispiel: Das NADA-Protokoll in der praktischen Suchtbehandlung
Das NADA-Protokoll wurde ursprünglich in den 1970er Jahren im Lincoln Hospital in New York zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit entwickelt. Die standardisierte Behandlung nutzt 5 spezifische Ohrpunkte beidseitig: Shen Men, Sympathikus, Niere, Leber und Lunge, die alle gleichzeitig gestochen werden. Diese Punkte sollen synergistisch wirken, um Stress abzubauen, die Entgiftung zu fördern und das emotionale Gleichgewicht während des Entzugs zu stabilisieren.
Durch die Nadelreize an diesen Schlüsselpunkten werden neurochemische Prozesse angestoßen. Der Körper schüttet vermehrt Endorphine aus, die eine beruhigende und leicht euphorisierende Wirkung haben. Gleichzeitig kann die Stimulation helfen, typische Entzugssymptome wie Reizbarkeit, Nervosität und Schlafstörungen zu mildern. Die Akupunktur fungiert hier als ein Werkzeug, das dem Patienten hilft, die erste und schwierigste Zeit des Rauchstopps mit mehr Gelassenheit und weniger körperlichem Stress zu überstehen.
Die erste Akupunktur-Sitzung: Was Sie erwartet und wie Sie sich vorbereiten
Der Gedanke an eine erste Akupunkturbehandlung ist für viele mit Unsicherheit verbunden. Doch der Ablauf in einer qualifizierten deutschen Arztpraxis ist strukturiert und zielt darauf ab, ein umfassendes Bild Ihrer Beschwerden zu gewinnen. Eine Sitzung ist weit mehr als nur das Setzen von Nadeln; sie beginnt mit einer ausführlichen TCM-Diagnostik, die westliche und östliche Ansätze verbindet. Ihr Arzt wird nicht nur nach Ihren Symptomen fragen, sondern auch eine Zungen- und Pulsdiagnostik durchführen. Diese Methoden geben ihm Aufschluss über den energetischen Zustand Ihres Körpers.
Für Ihren ersten Termin sollten Sie bequeme, lockere Kleidung tragen, damit der Arzt leicht Zugang zu den benötigten Akupunkturpunkten an Armen, Beinen oder am Rumpf hat. Es ist ebenfalls ratsam, nicht mit völlig leerem Magen zur Behandlung zu kommen; eine leichte Mahlzeit vorab stabilisiert den Kreislauf. Das zentrale Element ist das Anamnesegespräch, in dem Sie Ihre Krankengeschichte und aktuellen Beschwerden detailliert schildern. Basierend auf dieser Gesamtschau wählt der Therapeut die passenden Akupunkturpunkte aus.
Nach der Auswahl der Punkte werden die hauchdünnen Einmalnadeln platziert. Anschließend ruhen Sie für etwa 20 bis 30 Minuten in einer entspannten Position, meist liegend. Viele Patienten empfinden diese Phase als tief beruhigend und meditativ. Die Atmosphäre in der Praxis ist darauf ausgelegt, diesen Prozess zu unterstützen.

Wie Sie auf dem Bild sehen, ist die Umgebung ruhig und professionell, was entscheidend zur Entspannung beiträgt. Nach Ablauf der Zeit werden die Nadeln entfernt, und oft wird ein kurzer Folgetermin für die nächste Sitzung im Rahmen des Behandlungsplans vereinbart. Eine Serie von Behandlungen ist üblich, da die Wirkung der Akupunktur oft kumulativ ist.
Tut Akupunktur weh? Mythen und Fakten über die Nadelstiche
Die häufigste Sorge vor einer Akupunkturbehandlung ist die Angst vor Schmerzen. Die Vorstellung, dass Nadeln in den Körper gestochen werden, weckt unweigerlich Assoziationen mit Spritzen oder Blutabnahmen. Diese Befürchtung ist jedoch unbegründet. Die in der Akupunktur verwendeten Einmalnadeln aus Stahl sind extrem dünn, oft so dünn wie ein kräftiges menschliches Haar. Ihr Durchmesser ist um ein Vielfaches geringer als der einer Injektionsnadel.
Dadurch ist der Einstich selbst kaum spürbar. Die meisten Patienten beschreiben ihn als einen winzigen, kurzen Piks, der sofort wieder verschwindet. Deutlich präsenter ist das Gefühl, das sich nach dem Setzen der Nadel einstellt. Dieses wird in der TCM als „De-Qi“ bezeichnet und ist ein Zeichen dafür, dass der Akupunkturpunkt korrekt stimuliert wurde. Es kann sich als leichtes Kribbeln, ein dumpfes Druckgefühl, eine lokale Wärme oder ein Gefühl der Schwere äußern. Dieses Gefühl ist therapeutisch erwünscht und wird von den meisten als angenehm und nicht als schmerzhaft empfunden.
Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin bestätigt diese Wahrnehmung und unterstreicht die schmerzfreie Natur der Behandlung für die überwiegende Mehrheit der Patienten. Wie Experten betonen:
Der Einstich der Nadeln ist nicht schmerzhaft, oft stellt sich ein Druck- oder Wärmegefühl oder auch ein Kribbeln im Bereich des Akupunkturpunkts ein.
– Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin, Apotheken.de Gesundheitsportal
Letztendlich ist die Schmerzwahrnehmung subjektiv, aber die überwältigende Erfahrung zeigt: Akupunktur ist eine sanfte Therapieform. Die Nadeln dringen nur wenige Millimeter tief in die Haut ein, und die Sitzung selbst ist auf Entspannung und Regeneration ausgerichtet. Die Angst vor dem Schmerz sollte niemanden davon abhalten, diese wirksame Methode in Betracht zu ziehen.
Kosten und Erstattung: Wann zahlt die deutsche Krankenkasse für Akupunktur?
Eine der wichtigsten praktischen Fragen für Patienten in Deutschland ist die Kostenübernahme. Die gute Nachricht ist: Akupunktur ist unter bestimmten Voraussetzungen eine anerkannte Kassenleistung. Die schlechte Nachricht: Die Regelungen sind sehr spezifisch. Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) übernehmen die Kosten nur für zwei klar definierte Indikationen, für die in großen Studien eine Wirksamkeit nachgewiesen wurde. Voraussetzung ist, dass die Behandlung von einem Arzt mit entsprechender Zusatzausbildung durchgeführt wird.
Konkret handelt es sich um folgende Diagnosen:
- Chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die seit mindestens sechs Monaten bestehen.
- Chronische Schmerzen bei Kniegelenksarthrose, ebenfalls seit mindestens sechs Monaten bestehend.
Für diese beiden Fälle haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf bis zu 10 Akupunktursitzungen pro Jahr, in begründeten Ausnahmefällen sogar bis zu 15. Eine erneute Behandlung für dieselbe Erkrankung kann dann erst nach einer Wartezeit von 12 Monaten wieder genehmigt werden. Für alle anderen Beschwerden, wie Migräne, Allergien oder Raucherentwöhnung, ist Akupunktur in der GKV eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), die vom Patienten selbst bezahlt werden muss. Als Selbstzahler müssen Sie bei 10 bis 15 Sitzungen für chronische Beschwerden mit Gesamtkosten von 210 € bis 1.080 € rechnen.
Anders sieht die Situation bei privat Versicherten (PKV) und bei Patienten mit einer privaten Zusatzversicherung für alternative Heilmethoden aus. Hier hängt der Umfang der Erstattung stark vom gewählten Tarif ab. Viele Tarife decken ein breiteres Spektrum an Indikationen ab. Die Abrechnung erfolgt nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Der folgende Überblick zeigt die wesentlichen Unterschiede.
| Kriterium | Gesetzliche Krankenkasse | Private Krankenversicherung |
|---|---|---|
| Erstattete Indikationen | Nur chronische LWS-Schmerzen und Kniegelenksarthrose (min. 6 Monate) | Schmerzen, Allergien, Infektanfälligkeit, Schlafstörungen (tarifabhängig) |
| Anzahl Sitzungen | 10 Sitzungen in 6 Wochen (Ausnahme: bis 15 in 12 Wochen) | Individuell nach Tarif |
| Kosten pro Sitzung | Vollständige Übernahme | 21-72 € nach GOÄ (meist vollständig erstattet) |
| Wartezeit bis Neubehandlung | Mindestens 12 Monate | Keine festgelegte Wartezeit |
Körper, Ohr oder Fingerdruck: Welche Form der Akupunktur ist die richtige für Sie?
Wenn man von Akupunktur spricht, meint man meist die klassische Körperakupunktur. Hierbei werden Nadeln auf Punkten entlang der Meridiane am gesamten Körper gesetzt. Dies ist die umfassendste Methode zur Behandlung einer Vielzahl von allgemeinen Beschwerden und chronischen Schmerzen. Es ist die Grundlage, auf der viele andere spezialisierte Formen aufbauen. Doch je nach Beschwerdebild und Zielsetzung können auch andere Techniken sinnvoller sein.
Diese sogenannten Mikrosysteme gehen davon aus, dass sich der gesamte Körper auf einem kleinen Areal, wie dem Ohr oder der Hand, abbildet. Die Ohrakupunktur ist dabei besonders bekannt und hat sich, wie bereits erwähnt, als sehr effektiv bei Suchterkrankungen und zur Stressreduktion erwiesen. Ein bekanntes Beispiel ist das NADA-Protokoll, das weltweit in der Sucht- und Traumatherapie eingesetzt wird. Eine weitere hochspezialisierte Form ist die Yamamoto Neue Schädelakupunktur (YNSA), die vor allem bei neurologischen Erkrankungen und in der Schmerztherapie Anwendung findet.
Für Menschen, die Nadeln meiden möchten oder eine Methode zur Selbsthilfe suchen, bietet sich die Akupressur an. Hierbei wird anstelle von Nadeln gezielter Druck mit den Fingern oder speziellen Stiften auf die Akupunkturpunkte ausgeübt. Dies ist eine hervorragende Methode, um beispielsweise im Büroalltag Kopfschmerzen oder Verspannungen selbst zu lindern. Die folgende Tabelle gibt einen schnellen Überblick über die verschiedenen Ansätze und ihre Hauptanwendungsgebiete.
| Methode | Anwendungsgebiet | Besonderheit |
|---|---|---|
| Körperakupunktur | Chronische Schmerzen, allgemeine Beschwerden | Klassische TCM-Methode mit 400 Hauptpunkten |
| Ohrakupunktur | Besonders effektiv bei Suchterkrankungen | Kompakte Behandlung, alle Organe im Ohr repräsentiert |
| Yamamoto Schädelakupunktur | Neurologische Erkrankungen, Schmerztherapie | In Deutschland mitentwickelt, hochspezialisiert |
| Handakupunktur | Selbstbehandlung möglich | Koreanische Methode, gesamter Körper auf Hand projiziert |
| Akupressur | Büroalltag, Selbsthilfe | Ohne Nadeln, Druckausübung auf Punkte |
Die Grundlagen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM): Yin, Yang und Qi
Um die Wirkungsweise der Akupunktur zu verstehen, ist ein kurzer Ausflug in die philosophischen Grundlagen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) unerlässlich. Das zentrale Konzept ist das Qi (gesprochen: Tschi), das oft als „Lebensenergie“ übersetzt wird. In der Vorstellung der TCM durchströmt das Qi den Körper in einem Netzwerk von Leitbahnen, den sogenannten Meridianen. Ein Mensch ist gesund, wenn diese Energie frei und harmonisch fließen kann. Krankheit entsteht demnach durch Blockaden oder ein Ungleichgewicht im Fluss des Qi.
Dieses Gleichgewicht wird durch die beiden polaren Kräfte Yin und Yang reguliert. Yin steht für das Passive, Kalte, Dunkle und Ruhende, während Yang das Aktive, Heiße, Helle und Bewegte symbolisiert. Beide Kräfte sind keine Gegensätze, sondern ergänzen sich und gehen ineinander über. Gesundheit bedeutet, dass Yin und Yang in einem dynamischen Gleichgewicht zueinander stehen. Ein Zuviel an Yang könnte sich beispielsweise in Entzündungen oder innerer Unruhe äußern, während ein Mangel an Yang zu Kälteempfinden und Antriebslosigkeit führen kann.
Die Akupunktur zielt darauf ab, dieses Gleichgewicht wiederherzustellen. Die Meridiane, auf denen das Qi fließt, liegen an etwa 400 von 700 Punkten am menschlichen Körper dicht unter der Hautoberfläche. Genau diese Punkte werden als Akupunkturpunkte genutzt. Wie die Krankenkasse BIG direkt gesund erklärt, ist das Ziel der Nadelstiche klar definiert:
TCM geht davon aus, dass durch sogenannte Meridiane im Körper die Lebensenergie Qi fließt. Gesund ist der Mensch, wenn diese frei fließen kann. Durch feine Nadelstiche sollen im Organ Blockaden gelöst werden, sodass die Lebensenergie Qi wieder frei fließt.
– BIG direkt gesund, Traditionelle Chinesische Medizin erklärt
Durch die gezielte Stimulation dieser Punkte kann der Therapeut den Qi-Fluss beeinflussen: Blockaden können gelöst, ein Mangel an Qi kann angeregt oder ein Überschuss an Qi kann abgeleitet werden. Auch wenn diese Konzepte abstrakt klingen, bieten sie ein über Jahrtausende bewährtes Modell zur Beschreibung von Gesundheits- und Krankheitsprozessen, das die Basis für eine gezielte und individuelle Behandlung bildet.
Akupunktur & Hypnose gegen Rauchen: Was die Wissenschaft über die Wirksamkeit sagt
Nachdem wir die Anwendung der Akupunktur zur Raucherentwöhnung betrachtet haben, ist ein kritischer Blick auf die wissenschaftliche Evidenz unerlässlich. Gerade im deutschen Gesundheitssystem, das stark auf evidenzbasierter Medizin beruht, ist diese Frage entscheidend. Die Studienlage zur Wirksamkeit von Akupunktur als alleinige Methode zum Rauchstopp ist komplex und nicht eindeutig positiv. Viele Studien haben methodische Schwächen, was eine klare Bewertung erschwert.
Die offiziellen AWMF-Leitlinien, die in Deutschland als Standard für ärztliche Behandlungen gelten, sprechen derzeit eine klare Sprache. Nach Auswertung der verfügbaren Studien kommen sie zu dem Schluss, dass Akupunktur zur Unterstützung eines Rauchstopps derzeit nicht empfohlen werden kann. Dies liegt vor allem daran, dass in hochwertigen Studien kein signifikanter Vorteil gegenüber einer Schein-Akupunktur (Placebo-Behandlung) über einen längeren Zeitraum nachgewiesen werden konnte.
Diese Einschätzung wird durch eine umfassende Meta-Analyse der renommierten Cochrane Collaboration gestützt. Die Analyse von 38 Studien zeigte zwar einen leichten kurzfristigen Nutzen, aber keinen signifikanten Langzeiteffekt im Vergleich zu Placebo. Wichtig ist auch der Befund, dass Akupunktur in den Studien weniger wirksam war als eine etablierte Nikotinersatztherapie. Das bedeutet nicht, dass Akupunktur nutzlos ist. Viele Patienten berichten subjektiv von einer Linderung der Entzugssymptome. Wissenschaftlich betrachtet reicht die Evidenz jedoch nicht aus, um sie als primäre, alleinstehende Therapie zu empfehlen.
Ihr Aktionsplan für eine erfolgreiche Raucherentwöhnung
- Professionelle Beratung suchen: Kontaktieren Sie eine spezialisierte Ambulanz, wie die der LMU München, für einen kombinierten Ansatz aus Verhaltenstherapie und medizinischer Unterstützung.
- Kombinierten Ansatz prüfen: Erkundigen Sie sich, ob unterstützende Maßnahmen wie die NADA-Akupunktur als Teil eines Gesamtkonzepts angeboten werden, um Entzugssymptome zu lindern.
- Verhaltenstherapie priorisieren: Nehmen Sie an einem strukturierten Kurs teil (z. B. 1 Termin pro Woche über 3 Wochen), um Verhaltensmuster zu durchbrechen und Rückfallstrategien zu erlernen.
- Soziale Unterstützung nutzen: Integrieren Sie die Teilnahme an Selbsthilfegruppen in Ihren Plan, um den langfristigen Erfolg zu sichern und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.
- Erfolgskontrolle durchführen: Setzen Sie sich realistische Etappenziele und überprüfen Sie gemeinsam mit Ihrem Therapeuten den Fortschritt, um die Strategie bei Bedarf anzupassen.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher meist in einem kombinierten Behandlungsansatz. Akupunktur kann eine wertvolle unterstützende Rolle spielen, um die kritische Anfangsphase zu erleichtern, sollte aber idealerweise in ein umfassendes Programm aus Verhaltenstherapie und ärztlicher Beratung eingebettet sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Akupunktur ist mehr als Placebo: Ihre Wirkung lässt sich durch die Ausschüttung von körpereigenen Botenstoffen wie Endorphinen und Serotonin wissenschaftlich erklären.
- Die GKV in Deutschland zahlt nur bei chronischen Rücken- und Knieschmerzen; alle anderen Behandlungen sind Selbstzahlerleistungen.
- Die Wirksamkeit ist stark indikationsspezifisch: Sehr gut belegt bei Schmerzen, aber unklar bei der Raucherentwöhnung.
Das verborgene Gleichgewicht: Eine Einführung in die Denkweise der Traditionellen Chinesischen Medizin
Wir haben die Grundlagen der TCM und konkrete Anwendungen beleuchtet. Doch wie lässt sich die jahrtausendealte Lehre vom Qi und den Meridianen mit dem Wissen der modernen, westlichen Medizin in Einklang bringen? Genau hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der Akupunktur in einer modernen Arztpraxis. Es geht nicht um einen Glaubenskrieg zwischen zwei Systemen, sondern um eine sinnvolle Brückenbildung. Die Sprache der TCM beschreibt mit ihren Bildern von „Blockaden“ und „fließender Energie“ Phänomene, für die wir heute neurophysiologische Erklärungen haben.
Wenn eine Akupunkturnadel in die Haut gesetzt wird, geschieht mehr als nur das Lösen einer imaginären Blockade. Aus wissenschaftlicher Sicht wird ein komplexer Prozess in Gang gesetzt, wie Prof. Dr. Dominik Irnich, Vorsitzender der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur, erklärt:
Wird die Akupunkturnadel in die Haut gesetzt, werden Zellen zerstört, die Überträgerstoffe freisetzen. Es wird eine Selbstregulation angeregt, emotionale Zentren werden angesprochen. Überträgerstoffe wie Endorphine, Serotonin, Dopamin, Kortison sorgen für eine symptomlindernde Gegenregulation des Körpers.
– Prof. Dr. Dominik Irnich, Vorsitzender der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur
Das „De-Qi“-Gefühl ist also nicht nur eine esoterische Erfahrung, sondern der spürbare Ausdruck einer lokalen Gewebereaktion und Nervenstimulation. Diese Reize werden über das Nervensystem an das Gehirn weitergeleitet und lösen dort die Ausschüttung von schmerzlindernden und stimmungsaufhellenden Substanzen aus. Die Akupunktur aktiviert also die körpereigene Apotheke und regt die Selbstheilungskräfte an. Dass dies bei bestimmten Krankheitsbildern sehr gut funktioniert, belegen zahlreiche Studien. Eine große internationale Studie kam beispielsweise zu dem Schluss, dass Akupunktur bei chronischen Schmerzen des Bewegungsapparats, Kopfschmerzen und Arthrose wirksam ist – genau den Bereichen, in denen auch die GKV die Kosten übernimmt.
Die Denkweise der TCM und die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft sind also keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Die TCM bietet ein ganzheitliches, individuelles Diagnose-System, während die westliche Wissenschaft die physiologischen Mechanismen dahinter entschlüsselt. Ein qualifizierter Arzt kann beide Welten verbinden, um für den Patienten das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Wenn Sie unter Beschwerden leiden, bei denen die Schulmedizin allein nicht den gewünschten Erfolg bringt, kann die Akupunktur eine wertvolle und wissenschaftlich anerkannte Ergänzung sein. Der nächste logische Schritt ist, das Gespräch mit einem qualifizierten Arzt mit der Zusatzbezeichnung „Akupunktur“ zu suchen. Nur er kann eine fundierte Diagnose stellen und mit Ihnen gemeinsam klären, ob diese Therapieform für Sie persönlich geeignet ist und welche Möglichkeiten der Kostenübernahme bestehen.