Veröffentlicht am Februar 15, 2024

Rauchen aufzugeben ist weniger eine Frage des Willens als vielmehr ein Prozess der neurobiologischen Neukalibrierung Ihrer Stressachse.

  • Nikotin hat Ihr Belohnungs- und Stresssystem gezielt fehlgesteuert; der Entzug ist die Phase der Neuordnung.
  • Mind-Body-Praktiken sind keine bloße Ablenkung, sondern präzise Werkzeuge, um dieses System gezielt neu zu justieren.

Empfehlung: Wählen Sie Ihre Praxis nicht zufällig, sondern basierend auf dem aktuellen Zustand Ihres Nervensystems – aktivierend bei Lethargie, beruhigend bei innerer Unruhe.

Der Entschluss ist gefasst, die letzte Zigarette ist ausgedrückt. Doch was nun? Viele Ex-Raucher konzentrieren sich auf den reinen Willensakt, das „Nein“ zur nächsten Zigarette. Sie kämpfen mit Unruhe, Reizbarkeit und dem Gefühl einer inneren Leere. Die gängigen Ratschläge – „treiben Sie Sport“, „lenken Sie sich ab“ – greifen oft zu kurz, weil sie die tiefere, psychosomatische Ebene des Entzugs ignorieren. Rauchen war mehr als eine schlechte Angewohnheit; es war ein tief verankerter Regulationsmechanismus für Ihr Nervensystem.

Die wahre Herausforderung liegt nicht nur darin, nikotinfrei zu werden, sondern darin, ein neues, gesundes Gleichgewicht für Körper und Geist zu finden. Was wäre, wenn der Schlüssel dazu nicht im Kampf, sondern in der gezielten Neukalibrierung Ihrer Körper-Geist-Achse liegt? Wenn Praktiken wie Yoga, Meditation oder Qigong nicht nur „netter Zeitvertreib“, sondern hochwirksame Instrumente sind, um die durch das Nikotin entstandene Dysbalance auf neurobiologischer Ebene zu korrigieren? Es geht darum, die Fähigkeit zur Selbstregulation zurückzugewinnen und dem Körper neue Wege aufzuzeigen, um mit Stress, Langeweile oder emotionalen Tiefs umzugehen.

Dieser Artikel führt Sie durch die integrative Perspektive des Rauchstopps. Wir beleuchten, was genau in Ihrem Körper passiert und wie Sie die fünf zentralen Mind-Body-Praktiken gezielt einsetzen können, um nicht nur zu überleben, sondern aufzublühen. Sie lernen, die Signale Ihres Körpers wieder zu verstehen und die richtige Praxis für den richtigen Moment zu wählen – für ein nachhaltig rauchfreies und ausgeglichenes Leben.

Um Ihnen einen klaren Weg durch diesen Prozess zu bieten, haben wir die wichtigsten Aspekte für Sie strukturiert. Der folgende Überblick führt Sie durch die entscheidenden Schritte zur Wiederherstellung Ihrer inneren Balance.

Warum Rauchen Ihre Stressachse dysreguliert hat und wie lange Normalisierung dauert?

Um zu verstehen, warum der Rauchstopp so herausfordernd ist, müssen wir tiefer blicken – auf die sogenannte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse), unser zentrales Stressreaktionssystem. Jede Zigarette war ein direkter Eingriff in dieses System. Nikotin stimuliert die Ausschüttung von Dopamin, was ein kurzfristiges Gefühl der Belohnung und Entspannung erzeugt. Gleichzeitig wird aber auch das Stresshormon Cortisol freigesetzt. Ihr Körper befand sich in einem ständigen, unnatürlichen Zyklus aus künstlicher Beruhigung und anschließender Stressreaktion.

Durch den Rauchstopp entfällt dieser externe Regulator. Die HPA-Achse ist aus dem Takt geraten und überreagiert. Kleinste Stressoren können nun intensive Reaktionen wie Herzrasen, Reizbarkeit oder starkes Verlangen auslösen. Ihr Gehirn schreit nach der gewohnten „Lösung“ – dem Nikotin. Dies ist kein Zeichen von Willensschwäche, sondern eine vorhersagbare neurobiologische Reaktion. Die gute Nachricht: Ihr System ist in der Lage, sich neu zu kalibrieren. Dieser Prozess der „Neuverdrahtung“ braucht jedoch Zeit und aktive Unterstützung. Studien zeigen, dass achtsamkeitsbasierte Ansätze hierbei eine enorme Hilfe sein können. So belegt eine Untersuchung, dass Raucher nach einem Meditationsprogramm 60% weniger Zigaretten konsumierten, was die Wirksamkeit auf das Belohnungssystem unterstreicht.

Die neurobiologische Erholung verläuft typischerweise in drei Phasen:

  • Phase 1 (Woche 1-2 – Akuter Entzug): Körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Unruhe und Müdigkeit dominieren. Ihr Körper schreit nach Nikotin. Hier sind erdende, körperliche Praktiken Gold wert.
  • Phase 2 (Monat 1-3 – Neuverdrahtung): Das Gehirn bildet aktiv neue neuronale Verbindungen. Die psychische Abhängigkeit rückt in den Vordergrund. Regelmäßigkeit in Ihrer neuen Praxis ist jetzt entscheidend.
  • Phase 3 (Monat 3-12+ – Neue Normalität): Die Stressachse stabilisiert sich langsam. Das akute Verlangen weicht einem gelegentlichen Impuls. Ihre Mind-Body-Praxis wird von einer reinen Bewältigungsstrategie zu einem natürlichen Teil Ihres neuen, gesunden Lebensstils.

Wie Sie zwischen Yoga, Tai Chi, Meditation, Atemarbeit und Qigong wählen?

Angesichts der Vielfalt an Mind-Body-Praktiken fühlen sich viele Suchende zunächst überfordert. Soll es das dynamische Yoga sein oder die stille Meditation? Die fließenden Bewegungen des Tai Chi oder die fokussierte Energiearbeit des Qigong? Die Antwort lautet: Es gibt nicht die eine „beste“ Methode. Die Wahl hängt von Ihrer Persönlichkeit, Ihren aktuellen Bedürfnissen und dem ab, was Sie in der jeweiligen Phase des Entzugs am meisten benötigen.

Stellen Sie sich diese Praktiken als ein Spektrum vor, das von rein körperlich bis rein geistig reicht. Um die richtige Wahl zu treffen, hilft es, sich selbst einige ehrliche Fragen zu stellen:

  • Suche ich primär körperliche Entladung? Wenn Sie unter starker innerer Unruhe, Nervosität oder überschüssiger Energie leiden, sind dynamische, körperbetonte Praktiken wie Vinyasa Yoga oder bestimmte Formen des Qigong ideal. Sie helfen, angestaute Anspannung abzubauen und das Belohnungssystem durch Bewegung zu aktivieren.
  • Sehne ich mich nach mentaler Klarheit? Wenn Ihre Gedanken rasen, Sie sich schlecht konzentrieren können oder von Grübelschleifen geplagt werden, sind Praktiken mit einem starken Fokus auf Achtsamkeit und geistige Sammlung wie die Vipassanā-Meditation oder Atemarbeit (Pranayama) besonders hilfreich.
  • Brauche ich sanfte Bewegung und Erdung? Wenn Sie sich erschöpft und ausgelaugt fühlen, sind langsame, fließende Bewegungsformen wie Tai Chi oder Yin Yoga eine Wohltat. Sie regulieren das Nervensystem sanft und fördern die Interozeption – die Wahrnehmung des eigenen Körpers.

Diese verschiedenen Ansätze spiegeln sich oft schon in der Symbolik wider, wie die unterschiedlichen Handhaltungen (Mudras) in meditativen Praktiken zeigen. Jede Geste hat eine andere energetische und psychologische Wirkung.

Makroaufnahme von Händen in verschiedenen meditativen Positionen

Letztendlich ist der beste Weg, die richtige Praxis zu finden, das Ausprobieren. Viele Studios in Deutschland bieten Probestunden an. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl: Welche Praxis hinterlässt bei Ihnen ein Gefühl von Stimmigkeit, Ruhe und Präsenz? Das ist der Weg, den es sich zu verfolgen lohnt.

Yoga (körperbetont) vs. Meditation (gedankenbetont): Was für Ihren Typ?

Die Entscheidung zwischen Yoga und Meditation ist eine der häufigsten Fragen auf dem Weg zu mehr innerer Balance. Oft werden sie in einen Topf geworfen, doch sie sprechen unterschiedliche Persönlichkeitstypen und Bedürfnisse an. Es geht nicht darum, was „besser“ ist, sondern was für Ihren individuellen Konstitutionstyp im Moment des Entzugs am wirksamsten ist. Verstehen Sie die beiden Praktiken als unterschiedliche Türen zum selben Raum der inneren Ruhe.

Yoga ist ideal für den kinästhetischen Typ: Wenn Sie jemand sind, der Anspannung und Stress primär im Körper spürt – als Verspannung im Nacken, als Kloß im Magen oder als generelle Unruhe in den Gliedern –, ist Yoga oft der direktere Zugang. Die körperliche Anstrengung und die bewusste Dehnung erlauben es, blockierte Energie freizusetzen. Sie müssen nicht erst lernen, still zu sitzen; die Bewegung selbst wird zur Meditation. Für Menschen, die dazu neigen, „in ihrem Kopf zu leben“, bietet Yoga einen Weg, wieder im Körper anzukommen und die propriozeptive Wahrnehmung (den Sinn für die Lage des eigenen Körpers im Raum) zu schärfen. Es ist eine Praxis, die den Geist über den Körper beruhigt.

Meditation ist ideal für den analytischen Typ: Wenn Sie eher ein beobachtender, analytischer Mensch sind, der seine eigenen Gedankenmuster verstehen möchte, kann die stille Meditation ein mächtiges Werkzeug sein. Hier geht es darum, eine Distanz zu den aufkommenden Gedanken und Gefühlen zu schaffen – insbesondere zum starken Verlangen nach einer Zigarette. Sie lernen zu beobachten, wie das Verlangen kommt, seinen Höhepunkt erreicht und wieder abklingt, ohne dass Sie darauf reagieren müssen. Dies stärkt den präfrontalen Kortex, den Teil des Gehirns, der für Impulskontrolle und bewusste Entscheidungen zuständig ist. Es ist eine Praxis, die den Körper über den Geist beruhigt.

Die effektivste Strategie ist oft eine Kombination aus beidem. Beginnen Sie vielleicht mit Yoga, um den Körper zu beruhigen, und nutzen Sie die darauf folgende Entspannung für eine kurze, sitzende Meditation. Experimentieren Sie und finden Sie heraus, welche Tür für Sie am leichtesten zu öffnen ist.

Der Fehler, täglich 2 Stunden zu meditieren ohne Bewegung: Die Dissoziation-Gefahr?

In der Begeisterung für die positiven Effekte der Meditation verfallen manche Anfänger in ein Extrem: Sie zwingen sich zu stundenlangen Meditationssitzungen, in der Hoffnung, den Prozess zu beschleunigen. Doch gerade für Menschen im Nikotinentzug, deren Nervensystem bereits stark beansprucht ist, kann ein Übermaß an reiner, unbewegter Innenschau kontraproduktiv sein. Es besteht die Gefahr der Dissoziation – einem Zustand, in dem man sich vom eigenen Körper und den Gefühlen abkoppelt. Statt präsenter zu werden, flüchtet man sich in einen vagen, nebligen Geisteszustand, der zwar das akute Verlangen dämpft, aber keine echte Heilung fördert.

Echte Achtsamkeit bedeutet, Körper und Geist zu verbinden, nicht den Geist vom Körper zu trennen. Wenn Sie während der Meditation bemerken, dass Sie „wegdriften“, sich taub oder unwirklich fühlen, ist das ein klares Signal Ihres Körpers: Er braucht Erdung und Bewegung. Der Schlüssel liegt in der Balance zwischen Aktivierung und Stille, zwischen dem Spüren des Körpers in der Bewegung und dem Beobachten des Geistes in der Ruhe.

Person wechselt zwischen sitzender Meditation und aktiver Bewegung

Eine körperliche Praxis vor der Meditation, wie ein paar Sonnengrüße oder einfache Dehnübungen, kann Wunder wirken. Sie hilft, das Nervensystem zu regulieren und den Geist auf eine Weise zu beruhigen, die eine tiefere, verkörperte Meditation erst ermöglicht. Es geht nicht um die Dauer, sondern um die Qualität und die Integration in den Alltag.

Ihre 5-Minuten-Anker-Routine gegen Dissoziation

  1. Minute 1: Spüren Sie Ihre Füße fest auf dem Boden und verteilen Sie Ihr Gewicht gleichmäßig. Nehmen Sie den Kontakt zur Erde bewusst wahr.
  2. Minute 2: Benennen Sie leise fünf Dinge im Raum, die Sie sehen können. Fokussieren Sie sich auf Farbe, Form und Textur.
  3. Minute 3: Nehmen Sie vier verschiedene Geräusche in Ihrer Umgebung wahr und identifizieren Sie deren Quelle, ohne sie zu bewerten.
  4. Minute 4: Spüren Sie drei verschiedene Körperempfindungen bewusst, z. B. die Temperatur der Luft auf Ihrer Haut, den Stoff Ihrer Kleidung oder die Bewegung Ihres Atems im Bauch.
  5. Minute 5: Machen Sie zehn schnelle Kniebeugen oder Hampelmänner, um den Kreislauf zu aktivieren und sich wieder vollständig im Körper zu verankern.

Wann aktivierende Praktiken (Yoga) vs. beruhigende (Meditation) für Ihr Nervensystem?

Ein zentraler Aspekt der integrativen Medizin ist das Verständnis, dass unser Nervensystem nicht statisch ist. Es schwingt kontinuierlich zwischen zwei Zuständen: dem sympathischen Nervensystem (Aktivierung, „Kampf oder Flucht“) und dem parasympathischen Nervensystem (Beruhigung, „Ruhe und Verdauung“). Ein gesundes System wechselt flexibel zwischen diesen beiden Polen. Der Nikotinentzug kann diese Flexibilität stören und uns in einem der beiden Extreme gefangen halten: entweder in einer nervösen Übererregung oder in einer apathischen Lethargie.

Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Rauchstopp liegt darin, zu lernen, welche Praxis Ihr Nervensystem im jeweiligen Moment zurück in die Mitte bringt. Es geht nicht darum, immer nur zu entspannen. Manchmal ist gezielte Aktivierung genau das, was Sie brauchen.

Besonders im deutschen Winter, wenn Lichtmangel und Kälte die Stimmung drücken, steigt das Verlangen nach der künstlichen Stimulation durch Nikotin. Genau dann sind aktivierende Praktiken ein Segen. Tatsächlich zeigen Studien zur saisonalen Depression ein um 35% erhöhtes Rückfallrisiko bei Ex-Rauchern in den Monaten Januar und Februar. Ein dynamischer Sonnengruß am Morgen kann hier mehr bewirken als eine Stunde erzwungener Meditation. Er kurbelt den Kreislauf an, hebt die Stimmung und gibt Ihnen das Gefühl von Energie und Selbstwirksamkeit, das Sie früher in der Zigarette gesucht haben.

Der folgende Plan, angepasst an typische deutsche Arbeitszeiten, kann Ihnen als Orientierung dienen, um die richtige Praxis zur richtigen Zeit zu wählen.

Tagesrhythmus-Plan: Aktivierung vs. Beruhigung für deutsche Arbeitszeiten
Tageszeit Typische Situation Empfohlene Praktik Dauer
6:30-7:00 Morgenroutine Aktivierend: Sonnengruß 10-15 Min
10:00-10:15 Kaffeepause (Ex-Raucherpause) Neutral: Box-Atmung 5 Min
13:00-13:30 Mittagstief Beruhigend: Gehmeditation 10-15 Min
17:00-17:15 Feierabend-Stress Aktivierend: Qigong 10 Min
21:00-21:30 Vor dem Schlafen Beruhigend: Yin Yoga/Meditation 15-20 Min

Wie Sie zwischen Yoga, Tai Chi, Meditation, Atemarbeit und Qigong wählen?

Nachdem wir die grundlegenden Entscheidungskriterien beleuchtet haben, werfen wir nun einen Blick auf die praktischen Aspekte, die für Ihre Wahl in Deutschland eine Rolle spielen. Dazu gehören nicht nur die Kosten, sondern auch die wichtige Frage der Unterstützung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass ein Großteil der Mind-Body-Praktiken als anerkannte Präventionskurse bezuschusst wird.

Das deutsche Sozialgesetzbuch (§ 20 SGB V) regelt die Bezuschussung von Präventionsmaßnahmen durch die Krankenkassen. Damit ein Kurs für Yoga, Qigong oder Meditation förderfähig ist, muss der Anbieter in der Regel bei der Zentralen Prüfstelle Prävention (ZPP) zertifiziert sein. Dies stellt eine hohe Qualität und eine standardisierte Ausbildung der Kursleiter sicher. Für Sie bedeutet das: Sie können hochwertige Kurse besuchen und erhalten einen erheblichen Teil der Kosten zurückerstattet.

Die folgende Übersicht gibt Ihnen einen Anhaltspunkt über die typischen Kosten und die Zuschussmöglichkeiten in Deutschland. Diese Zahlen können je nach Stadt und Anbieter variieren, zeigen aber die generelle Tendenz auf, wie eine vergleichende Analyse der Praktiken verdeutlicht.

Kostenübersicht: Mind-Body-Praktiken und Krankenkassenzuschüsse in Deutschland
Praktik Kosten pro Einheit Krankenkassenzuschuss (§20 SGB V) Zertifizierung nötig
Yoga 10-20 € Bis zu 80-100% Ja, über ZPP
Tai Chi 8-15 € Bis zu 80% Ja, über ZPP
Qigong 8-15 € Bis zu 80% Ja, über ZPP
Meditation/MBSR 10-25 € Bis zu 75% Ja, über ZPP
Atemarbeit 15-30 € Teilweise Abhängig vom Anbieter

Bevor Sie einen Kurs buchen, fragen Sie gezielt nach der ZPP-Zertifizierung und erkundigen Sie sich bei Ihrer Krankenkasse nach den genauen Konditionen der Kostenübernahme. Diese finanzielle Unterstützung kann eine wichtige Motivation sein, um dranzubleiben und die gewählte Praxis fest in Ihren neuen, rauchfreien Alltag zu integrieren.

Yoga (körperbetont) vs. Meditation (gedankenbetont): Was für Ihren Typ?

Nachdem wir die Typenfrage beleuchtet haben, vertiefen wir nun die Anwendung in der Praxis. Selbst innerhalb einer Disziplin wie Yoga gibt es große Unterschiede, die Sie gezielt für die verschiedenen Phasen des Nikotinentzugs nutzen können. Es geht darum, das richtige Werkzeug für die jeweilige Aufgabe zu wählen.

Ein gutes Beispiel ist der Unterschied zwischen dynamischem Vinyasa Flow und ruhigem Yin Yoga. Beide sind Formen von Yoga, doch ihre Wirkung auf das Nervensystem und das Belohnungszentrum könnte kaum unterschiedlicher sein. Ihre Anwendung lässt sich am besten anhand konkreter Szenarien verdeutlichen.

Fallbeispiel: Vinyasa Flow vs. Yin Yoga für Ex-Raucher

Dynamisches Vinyasa Flow eignet sich besonders bei akuten Entzugserscheinungen wie starker Unruhe und Reizbarkeit. Die schnelle Abfolge von Bewegungen, synchronisiert mit dem Atem, fordert den Körper und den Geist gleichermaßen und lässt kaum Raum für Grübeleien. Dieser Stil aktiviert das Belohnungssystem direkt durch körperliche Anstrengung und die Ausschüttung von Endorphinen. Eine Studie mit Ex-Rauchern zeigte, dass 12 Wochen regelmäßiges Vinyasa-Training die Rückfallquote um 40% senkte. Yin Yoga hingegen fördert das „Loslassen“ auf einer tieferen, faszialen Ebene. Die Haltungen werden über mehrere Minuten passiv gehalten, was besonders in der späteren Entwöhnungsphase hilft, tief sitzende emotionale Blockaden zu lösen und eine Haltung der Akzeptanz zu kultivieren.

Diese Unterscheidung zeigt, dass es nicht nur um „Yoga“ an sich geht, sondern um die bewusste Wahl des Stils. Dieser ganzheitliche Blick auf Sucht und Heilung ist tief in den philosophischen Wurzeln dieser Praktiken verankert. Die Sucht wird nicht als moralisches Versagen gesehen, sondern als fehlgeleitete Suche nach Erfüllung.

Wie der große Yogameister Swami Sivananda es formulierte, wird die äußere Suche überflüssig, wenn die innere Reise beginnt. Diese Perspektive kann enorm entlastend sein und den Druck nehmen, „perfekt“ sein zu müssen.

Süchte sind meist Ausdruck einer tiefen spirituellen Suche. Wenn man auf den spirituellen Weg kommt, verschwindet die Sucht.

– Swami Sivananda, Yoga-Vidya Wiki zur Rauchentwöhnung

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Rauchstopp ist ein neurobiologischer Prozess, bei dem die durch Nikotin dysregulierte Stressachse (HPA-Achse) neu kalibriert wird.
  • Mind-Body-Praktiken sind gezielte Werkzeuge zur Regulation des Nervensystems: aktivierend (z.B. Vinyasa Yoga) bei Lethargie und beruhigend (z.B. Meditation) bei Unruhe.
  • Die Wahl der Praxis sollte sich an Ihrem Typ und den praktischen Gegebenheiten in Deutschland orientieren, wobei viele Kurse von Krankenkassen (§20 SGB V) bezuschusst werden.

Wie Akupunktur das Rauchverlangen um 50% reduziert: Evidenz und beste Protokolle?

Neben den selbstständig durchführbaren Mind-Body-Praktiken gibt es auch komplementärmedizinische Verfahren, die den Prozess des Rauchstopps signifikant unterstützen können. An vorderster Front steht hier die Akupunktur, insbesondere das standardisierte NADA-Protokoll. Diese Methode hat sich als äußerst wirksam erwiesen, um Entzugssymptome zu lindern und das Verlangen nach Nikotin, oft als „Craving“ bezeichnet, drastisch zu reduzieren. Studien deuten auf eine Reduktion des Rauchverlangens um bis zu 50% hin.

Die Wirkung der Akupunktur basiert auf der Stimulation spezifischer Punkte, die das vegetative Nervensystem ausgleichen und die Ausschüttung von Endorphinen – körpereigenen „Glückshormonen“ – anregen. Dies hilft, die durch den Nikotinentzug entstandene Lücke im Belohnungssystem auf natürliche Weise zu füllen. Besonders das NADA-Protokoll, eine standardisierte Ohrakupunktur an fünf spezifischen Punkten, hat sich in der Suchtbehandlung bewährt.

Praxisbeispiel: Das NADA-Protokoll in deutschen Suchtkliniken

Seit den 1990er Jahren hat sich die NADA-Behandlung fest im deutschen Suchthilfesystem etabliert. Renommierte Universitätskliniken wie die Charité in Berlin, die LMU in München und das UKE in Hamburg wenden das standardisierte 5-Punkte-Protokoll erfolgreich an, um Patienten bei verschiedenen Suchterkrankungen, einschließlich der Nikotinabhängigkeit, zu unterstützen. Die Behandlung ist niederschwellig und findet oft in der Gruppe statt. In der Regel benötigen Patienten eine Serie von 6-10 Behandlungen über etwa drei Wochen, bis sie eine stabile Reduktion des Cravings verspüren. Die Kosten liegen als Selbstzahler bei etwa 40-80€ pro Sitzung, wobei einige Zusatzversicherungen oder Krankenkassen die Kosten anteilig übernehmen.

Einen qualifizierten Therapeuten in Deutschland zu finden, ist unkompliziert. Die offizielle Webseite des NADA-Vereins (nada-akupunktur.de) sowie die Datenbank der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA) listen zertifizierte Anwender. Auch lokale Suchtberatungsstellen können oft entsprechende Angebote vermitteln. Die Kombination aus einer selbstgewählten Mind-Body-Praxis und professioneller Unterstützung durch Akupunktur kann eine kraftvolle Synergie erzeugen und Ihren Weg in ein rauchfreies Leben entscheidend erleichtern.

Für eine umfassende Strategie ist es wertvoll, alle verfügbaren Werkzeuge zu kennen. Die Integration von Ansätzen wie der Akupunktur kann die Wirksamkeit Ihrer Bemühungen signifikant steigern.

Um Ihre Reise in ein rauchfreies Leben bestmöglich zu unterstützen, ist der nächste logische Schritt, die für Sie passende Praxis auszuwählen und einen qualifizierten Ansprechpartner zu finden. Beginnen Sie noch heute damit, zertifizierte Kurse oder Therapeuten in Ihrer Nähe zu recherchieren.

Geschrieben von Sarah Hoffmann, Sarah Hoffmann ist Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Suchttherapie und kognitive Verhaltenstherapie. Seit 14 Jahren begleitet sie Menschen beim Rauchstopp und behandelt die psychischen und emotionalen Ursachen der Tabakabhängigkeit in ihrer Praxis in einer mittelgroßen deutschen Stadt.